Mitten in der Nacht kamen wir in Cuernavaca an und wurden von Carlos, unserem Sprachlehrer vom Busbahnhof abgeholt. Da wir in unserer ersten Woche so viel gereist waren, war es schön, unsere Sachen auspacken zu können. Hier würden wir jetzt einen Monat bleiben.
Am ersten Morgen wurden wir sehr freundlich von allen Lehrerinnen und Lehrern der Sprachschule empfangen und Carlos machte mit uns eine Tour durch die Stadt, um uns alles Nennenswerte zu zeigen. Cuernavaca ist die Hauptstadt von Morelos und hat viel Kultur zu bieten: Unter anderem bietet die Stadt den Palacio Cortes, Sitz des spanischen Eroberers Hernán Cortes, fertiggestellt im 16. Jahrhundert sowie die Kathedrale Catedral de la Asunción de María, die UNESCO-Weltkulturerbe ist. Zudem konnten wir auch den Jardín Borda, einen botanischen Garten besuchen.
Die Stadt ist sehr bergig gelegen, daher gibt es viele steile Straßen, in denen sogenannte Barrancas, Schluchten liegen. Diese führen Wildwasser und gehören mit zu den Touristenattraktionen des Landes. Leider sind jedoch auch einige der Schluchten von Verschmutzung betroffen.
Schon schnell wurde uns klar, wo wir uns außerhalb unserer Gastfamilien gerne trafen. Direkt um die Ecke gab es eine Taqueria, „La Gringa“, dort wurde alles angeboten, was mit mexikanischer Küche zu tun hatte. Im Nachhinein würde ich sagen, dass dieses Taco-Restaurant für uns den Startschuss gegeben hat, um mexikanisches Essen auf eigene Faust kennenzulernen. Und diese Taqueria war manchmal sogar bis tief in die Nacht geöffnet. In unserem Monat in Cuernavaca probierten wir uns einmal durch die ganze Speisekarte.
Ich erlebte Cuernavaca als eine fröhliche, laute und nie schlafende Stadt: Die Straßen waren gefüllt von Menschen, überall konnte man regionale Produkte und Kunsthandwerksartikel (Artesanía) kaufen. An Straßenecken wurde Musik gespielt und es wurden Bücher und Schmuck angeboten. Ein sehr beeindruckendes Erlebnis, war unser Besuch auf dem Wochenmarkt in Cuernavaca: Es war voll, laut und eng. Unmengen an Gemüse, Obst, Kräutern, Fleisch, Gewürzen und anderen Artikeln strömte förmlich auf uns ein. Die Gerüche vermischten sich: Wenn es gleichzeitig nach Blumen, Trockenobst, Lederschuhen und Schweinefleisch riecht, ist man wohl auf einem Markt mitten in Mexiko. Die Händler rufen laut, um ihre Waren anzupreisen. Wir kauften einen Blumenstrauß für unsere Gastmutter, ein paar frische Mangos, Avocados und Minibananen (platanos dominicos).
In der Sprachschule begann der Unterricht jeden Tag um 9 und endete um 14 Uhr. Neben den Spanischklassen bekamen wir auch viele Einblicke in Kultur, Gesellschaft, Historie sowie Essen und Trinken.
Wir wurden je nach Spanischkenntnissen in verschiedene Gruppen eingeteilt und sollten
während unserer Zeit in Cuernavaca Tagebuch auf Spanisch schreiben. Der Unterricht war sehr bereichernd, wir hatten immer sehr angeregte Gespräche mit den LehrerInnen und neben Grammatik und Rechtschreibung konnten wir uns über die Kultur Deutschlands und die Kultur Mexikos austauschen.
Eine Kleinigkeit, die uns jedoch noch sehr beschäftige und dringend anstand, war unser Visum: Es war der erste Mittwoch in der Sprachschule, aber schon um elf Uhr war der Unterricht vorbei. Carlos lud uns alle in seine Camioneta und wir fuhren zu Oficina de Migración. Wir mussten eine Weile draußen in der Hitze warten, bis uns die Beamten hineinließen. Schließlich wurden wir hereingelassen und all unsere Dokumente geprüft. Leider hatten wir ein Dokument vergessen, also mussten wir es alle neu ausfüllen und auf die Suche nach einem Laden gehen, wo man ausdrucken konnte. Dadurch verloren wir etwas Zeit. Mittlerweile stand die Sonne hoch am Himmel und es war richtig warm. Als wir endlich mit allen ausgedruckten Dokumenten zurück kamen, wurde alles nochmal überprüft und wir bekamen eine Quittung mit, der wir zur Bank fahren sollten, um das Geld für das Visum zu überweisen. Aber nur Tabea und Greta konnten schon los zur Bank, weil unsere Dokumente nochmal überprüft werden mussten.
Also warteten wir. Und warteten. Und warteten. Es war schon spät. Schließlich kamen Greta und Tabea zurück und die Beamtin teilte uns mit, dass wir nun auch zur Bank fahren konnten, obwohl sie vorher das Gegenteil behauptet hatte. Endlich fuhren wir zur Bank, es gab eine endlose Schlange. Um drei Uhr nachmittags hatten wir endlich unser Geld überwiesen, fuhren zurück zur Oficina.
Dort kamen Greta und Tabea mit ihrem Visum aus dem Gebäude, dann schloss der Beamte die Tür. Die Oficina war zu. „Kommt doch bitte morgen wieder.“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich und wir standen da wie angewurzelt. Vorfreudig auf den nächsten Tag, an dem wir erneut einige Stunden warten mussten. Am Ende habe ich irgendwie mein Visum bekommen. Keine Ahnung wie, es waren viele Dokumente, viel Hin- und Her und vor allem stundenlanges Warten. Aber ihr könnt euch vorstellen, wie glücklich wir waren, als wir nach drei Besuchen der Oficina de Migración endlich eine grüne Karte hatten.
Am Freitag veranstalteten wir eine Kinonacht in der Sprachschule und schauten uns den Film „Coco“ an, der anschaulich für Kinder die mexikanische Tradition des „Dia de los muertos“ erklärt. Der Dia de los muertos ist im November, die Menschen gedenken ihren Verstorbenen, schmücken feierlich die Friedhöfe und stellen Altäre (sog. Ofrendas) in ihren Häusern auf. Den Film in Mexiko zu schauen, war ein tolles Erlebnis. An diesem Abend probierten wir Mezcal, ein Schnaps, der aus dem Fruchtfleisch der Agave gewonnen wird und aus dem Bundesstaat Oaxaca kommt. Mezcal schmeckt nach Rauch und brennt wie Feuer auf der Zunge. Aber mit Limette ging es einigermaßen.
An unserem zweiten Wochenende in Cuernavaca machten wir einen Ausflug nach Xochicalco, eine archäologische Stadt, die noch vor den Azteken existierte und dessen Blütezeit zwischen 700 und 900 nach Christus war. Unser erster Weg führte uns in ein Museum, dass eine Reihe an Figuren und Symbolen aus der Zeit Xochicalcos ausstellt. Glücklicherweise war Carlos dabei, der uns sehr viele historische Eckdaten nennen und uns wichtige indigene Symbole erklären konnte. Beispielsweise gehört die Schlange zu den wichtigsten Symbolen und wird sehr positiv interpretiert. Zu den häufigsten Symboliken gehören die gefederte Schlange, Muscheln und die Wasserwelt. In den Fokus des Lebens wurde zentral die Wichtigkeit der Natur gestellt, ebenso gab es Gottesfiguren, an denen man viele der genannten Symbole ablesen konnte. Xochicalco gilt als Ort der frühen Sportler, Poeten, Wissenschaftler und auch Künstler. Die Gesellschaft Xochicalcos zeigte sich als durchaus weit entwickelt und im Austausch jedoch auch Konflikt mit anderen Völkern. Die Pyramiden, die wir besichtigt haben, lagen hoch in den Bergen und man hatte einen tollen Ausblick auf Cuernavaca. Etwas Enttäuschung kam leider auf als Carlos zugab, dass nicht wirklich alle Steine echt sind. Aber im Anbetracht all der Zeit, die vergangen ist, seitdem der Staat Xochicalcos lebendig war, ist es doch verständlich. Der Aufbau der Gesellschaft glich einer Hierarchie, Zugang zur Pyramide wurde daher nur den Höherrangigen gestattet. Astronomisch waren die Bewohnern Xochicalcos weit fortgebildet, sie verfügten sogar über ein Observatorium als Messort für Zeit und Tagesverlauf.
Am Ende des Ausfluges waren wir sehr beeindruckt, wie reich an Wissenschaft, Tradition, Architektur und Gesellschaftsstruktur diese Stadt einmal war. Dies ist ein Ausdruck für die Relevanz der Mestizaje für die mexikanische Kultur, d. h. die Wichtigkeit des Zusammenwirkens zwischen indigener Kultur und spanischen Einflüssen wird deutlich.
In der Sprachschule hatten wir verschiedenste Aktivitäten, beispielsweise durften wir auch unsere eigenen Piñatas basteln: Wir füllten Tonkrüge mit Süßigkeiten, beklebten sie mit Zeitungspapier und danach schmückten wir sie mit buntem Kreppband. Die Arbeit lohnt sich sehr, denn die Piñatas sahen wirklich sehr schön aus.
Eine der Piñatas nahmen wir mit, als wir gemeinsam mit Carlos die Institution „Nuestros Pequeños Hermanos“ in Miacatlán besuchten. Auf dem Campus des “Casa San Salvador” wohnen seit 1970 Kinder und Jugendliche, die aus schwierigen Verhältnissen kommen oder keine Eltern mehr haben. Hier leben sie in einer großen Gemeinschaft, gehen zur Schule, essen zusammen und haben noch viele weitere Möglichkeiten wie gemeinsam Sport oder Musik zu machen. Für uns war unser Besuch dort etwas ganz Besonderes: Wir wurden von einigen Mädchen zwischen 7 und 9 Jahren empfangen, haben gemeinsam mit ihnen die Piñata zerschlagen und zusammen Fußball gespielt. Danach haben wir von einer älteren Schülerin eine Tour über das Gelände bekommen. Die Hacienda verfügt über Schwimmbad, einen Sportplatz, einen Speisesaal, verschiedene Schulgebäude, eine Kirche, ein Krankenhaus sowie Schlafgebäude, in denen die Kinder und Jugendlichen wohnen. Zuletzt durften wir auch die zurzeit jüngsten Kinder zwischen 3 und 5 Jahren kennenlernen und haben etwas mit ihnen gespielt. Wir haben uns sehr über die Offenheit und Neugierde der Kinder gefreut und die Stunden, die wir dort verbringen durften waren eine einmalige Erfahrung.
Die Organisation „Nuestros pequeños hermanos“ ist eine internationale Institution mit weiteren Standorten in México selbst, sowie auch Guatemala, Honduras, Nicaragua, El Salvador und anderen Ländern Lateinamerikas. Informiert euch gerne über folgenden Link: http://www.nph-mexico.org/
Ebenfalls möchte ich von unserem Ausflug nach Tepoztlán erzählen, dass zu den pueblos mágicos, d.h. zu den magischen Dörfern gehört. Aufgrund ihrer präsenten indigenen Kultur, des Kunsthandwerkes und wunderschönen Natur, werden diese Dörfer so genannt. Wir liefen ins Zentrum, dort gab es einen großen Markt und viele verschiedene Läden, wo man alles Mögliche kaufen konnte: Bunte Ketten, Tassen, traditionelle Masken, Essen und vieles mehr. Vor allem beeindruckte mich die Natur, in der das Dorf lag. Rundherum Berge, und viel Grün. Einige von uns stiegen auf einen der Berge, denn hoch oben kann man eine archäologische Zone sehen. Leider kamen sie nicht so weit, denn aufgrund von Corona war die Besichtigung noch immer nicht möglich. Aber dafür hat Tepoztlán eine tolle Aussicht von den Bergen zu bieten. Tepotzlán ist berühmt für seine indigene Kultur, die archäologische Zone sowie seinen Karneval. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall!