Jetzt kanns losgehen

Zurück in Tepetitlán

Ich: Hey Caro, ich glaube wir besuchen dich Montag.

Caro: Hallo, ja ich glaube mein Gastvater hat etwas Ähnliches gesagt.

Ich: Oder wir fahren ins Gefängnis… Bin nicht sicher ob ich es richtig verstanden habe…

Am Montag

Ich: OK, ich hab´s wohl falsch verstanden… Wir fahren nach Tula ins Zentrum 😊

 

So oder so ähnlich sehen viele Chatverläufe mit meinen Mitfreiwilligen aus. Diese Sprachbarriere, die täglich kleiner wird, hat verschiedenste Missverständnisse zur Folge, die aber zum Glück nicht weiter schlimm sind.

Somit fühle ich mich hier in Tepe rundum wohl. Natürlich hat es seine Vorteile in einer großen Stadt wie Tula zu wohnen, statt in einem kleinen Ort wie Tepetitlán. Genauso hat es auch seine Vorteile bei einer Gastfamilie zu leben und nicht mitten im Gemeindehaus und es hat auch Vorteile, wenn im vorherigen Jahr schon ein Freiwilliger oder eine Freiwillige im eigenem Einsatzort war.

Doch für mich ist es hier genau richtig: Tepetitlán ist klein genug, dass ich schnell die meisten Bewohner kennenlernen kann und groß genug, dass mir nicht die Decke auf den Kopf fällt. Hier im Gemeindehaus habe ich das Glück quasi in einer Familie, der des Padres, zu leben und trotzdem so nah wie überhaupt möglich am Gemeindeleben zu sein. Und da es schon sieben Jahre her ist, dass eine Freiwillige hier in Tepe war, sind die Grundstrukturen dieses Freiwilligendienstes zwar noch bekannt, ich werde allerdings nicht mit einem Vorgänger oder einer Vorgängerin verglichen.

In den ersten Tagen, nachdem ich hier aus Oaxaca angekommen bin, habe ich Padre Teo in zig Messen begleitet, um mich vorzustellen. Auch an diversen Versammlungen und Besprechungen habe ich teilgenommen.

Und so langsam aber sicher finde auch ich meinen Platz hier und suche mir meine Aufgaben. Beispielsweise kann ich unter der Woche immer mit meiner Kollegin Ceci im Büro der Gemeinde arbeiten, welches eine Art Media Hotspot der Diözese bildet. Hier bedrucken und brennen wir CDs, erstellen Plakate und bearbeiten Materialien für den Katechesenunterricht.

Da ein Teil Tepetitláns (La Loma de Tepetitlán) direkt an der Eisenbahnlinie liegt, die sich durch ganz Süd- und Mittelamerika bis in die Vereinigten Statten zieht, bilden Migranten einen weiteren Teil meiner Arbeit. Besonders junge Männer aus Honduras und Guatemala nutzen diesen Güterzug um in die USA zu gelangen. Bei dieser gefährlichen Reise sind die Migranten oft wochenlang Wind und Wetter, Hunger und Durst und weiteren Gefahren ausgesetzt. Nicht selten kommt es vor, dass sie entführt werden oder beim Auf- und Abspringen des Zuges ein Bein oder mehr verlieren.

Manchmal klopfen einige Migranten an unsere Tür um Hilfe zu erbitten. Hier in der Gemeinde können sie dann in einem der Säle für Katechenunterricht und Versammlungen schlafen und sich duschen. Zudem werden sie von uns mit Essen, Trinken und Medikamenten versorgt und können ihre Familien benachrichtigen.

Dieser Teil meiner Arbeit ist nicht immer leicht und angenehm auszuführen. Die erschreckenden Erzählungen der Migranten konfrontieren einen meist härter mit der Realität Mittelamerikas, als einem lieb ist. Und trotzdem arbeite ich gerne in diesem Bereich, in dem man direkte Hilfe leisten kann. Auch Padre Teo liegt diese Arbeit sehr am Herzen, so setzt er seine Pläne für ein Migrantenhaus zum Beispiel schon bald in die Tat um und sammelt fleißig Kleiderspenden, an denen sich dann unsere Gäste bedienen können.

Die Nachfrage nach Deutschunterricht ist größer als ich gedacht hätte, denn nach jeder Messe fragen mich sowohl Kinder als auch ältere wann sie denn endlich mit dem Deutschlernen beginnen können. Dementsprechend werde ich ein paar Kurse anbieten, von denen ich allerdings noch nicht weiß, wie ich sie beginnen soll.

Zu guter Letzt unterstütze ich als Angestellte der Gemeinde natürlich gelegentlich den Katechesenunterricht und Chöre und helfe dem Padre dabei Ergebnisse von Besprechungen digital festzuhalten. Somit nahm ich zum Beispiel die gesamte Asamblea (einwöchige Versammlung aller Beschäftigten der ganzen Diözese) als Audio auf. Die Aufnahmen wurden später auf eine CD gebrannt – mit meiner Stimme als Offvoice haha – und an die Gemeinden verteilt.

So viel zu meinen vielseitigen Aufgaben, die sich allerdings im Laufe dieses Jahres bestimmt noch ändern werden. Aber neben meiner Arbeit erlebe ich natürlich noch viele weitere spannende Dinge, von denen ich euch jetzt erzählen werde:

Seitdem ich hier bin werde ich von diversen Leuten eingeladen, bei ihnen zu essen und zu feiern. Die erste Einladung, die ich annehmen konnte war die von Juan Carlos und seiner Familie. Juan Carlos, der sich auch gerne Johannes Karl nennt, engagiert sich schon lange in der Freundschaftsgruppe und möchte nächstes Jahr als Freiwilliger nach Deutschland. Am 14. September waren wir somit bei einer „Noche mexicana“, bei der nach Tacos, Guacamole und viel Tequila, ordentlich das Tanzbein geschwungen wurde und mexikanische Kartenspiele ausgepackt wurden.

Einen Tag später, am 15. September, wurde hier und in ganz Mexiko die Unabhängigkeit von Spanien gefeiert. Vormittags waren der Padre und ich noch in seiner Heimatstadt Tepatepec, wo ein anderer Padre sein 50-jährigen Dienst für die Kirche gefeiert hat. Danach ging es zu einer Familienfeier, auf der neben Posole (eine Suppe) Tequila und Karaoke natürlich nicht fehlen durfte. Ich hatte die Möglichkeit die vielen Verwanden des Padres kennenzulernen und zu erklären, dass Deutschland mehr als nur Hitler und Bier ist.  Abends ging es dann zurück nach Tepetitlán, wo wir die öffentliche Zeremonie des Unabhängigkeitstages beobachten konnten. Feierlich wurde die mexikanische Flagge erst der Polizei und dann dem Bürgermeister übereicht. Darauf folgten ein unglaubliches Feuerwerk und einige Bands, die die Leute zum Tanzen bewegten.

Die folgende Woche wurde komplett von der bereits erwähnten Asamblea ausgefüllt. Von Montag bis Freitag trafen sich diverse Padres, Schwestern und Katechetinnen um die aktuelle Situation Mexikos zu analysieren und auf die Aufgaben der Gemeinden zu übertragen. Das glaube ich zumindest waren wesentliche Inhalte, denn ich war viel mehr damit beschäftigt Fotos und Audioaufnahmen zu machen als zuzuhören. Auf der Asamblea waren natürlich auch meine Mitfreiwilligen, die ich seit fast zwei Wochen nicht mehr gesehen hatte. Hört sich nach keiner besonders langen Zeit an, jedoch habe ich mich riesig gefreut, mal wieder Deutsch zu sprechen und den anderen von meinen Erfahrungen zu erzählen. Weniger schön an der Asamblea war der Haufen Arbeit, der Donnerstagabend auf Ceci, den Padre und mich zukam. Bis halb fünf in der Nacht saßen wir in unserem Büro, um die Tonaufnahmen zusammenzuschneiden und meine Ankündigungen aufzunehmen: „Cuadragésima Asamblea Diocesana de Pastoral, Diósesis de Tula presenta: Conferencia del Dr. Rodrigo Guerra“. Gar nicht so einfach das möglichst akzentfrei auszusprechen, besonders wenn es drei Uhr nachts ist und man noch immer mit dem gerollten r hapert. Aber schließlich haben wir es geschafft die CDs rechtzeitig fertigzubekommen, sodass sie am Freitag verteilt wurden konnten.

Meine Mitfreiwilligen konnte ich am Wochenende schon wiedersehen. Am Samstag, dem 22. September, war nämlich eine Versammlung aller Freundschaftsgruppen der Diözese in Chilcautla. Es hat mich besonders gefreut, dass meine Freundschaftsgruppe so gut vertreten war und nach einem gemeinsamen Frühstück und einer Messe verbrachten wir ein paar schöne Stunden in einem Erholungspark, der mal eine Müllhalde war. Wir Deutschen hatten die Gelegenheit uns und unsere Gemeinden vorzustellen und die mexikanischen Freiwilligen, die ihr vergangenes Jahr in Deutschland verbracht hatten, erzählten von ihren Erfahrungen. Abends war ich dann noch mit Juan Carlos und ein paar Bekannten auf einem großen Patronatsfest in Anaya, wo wir stundenlang getanzt haben.

Am nächsten Tag gab es hier in Tepetitlán eine große Prozession zu dem Ort, an dem das geplante Migrantenhaus errichtet werden soll. Dort wurde eine große Messe gefeiert, in der ich meinen ersten Chorauftritt hatte.

Ein paar sehr ereignisreiche Wochen liegen also hinter mir und dabei soll es nicht bleiben. Morgen zum Beispiel fahren wir Freiwillige, leider ohne Elisa, da sie Verpflichtungen in Tepeji hat, nach Mexiko City. Dort treffen wir eine der Freiwilligen aus dem Bistum Stuttgart wieder und werden uns einen Vortrag über Sicherheit in der Deutschen Botschaft anhören. Aber dazu kann ich dann sicher mehr in meinem nächsten Blogeintrag erzählen…

¡Hasta luego!

Tere (oder Anneli, wie mich Juan Carlos nennt, weil seine Exfreundin Tere heißt XD)

5 Kommentare

    Karoline Epke

    Schöner Beitrag! Er gibt einen schönen Einblick in deinen Alltag (wenn man davon schon sprechen kann), und hinterlässt bei mir den Eindruck, dass das Feiern und der Spaß nicht zu kurz kommen. Super, dass es auch einige Gelegenheiten gibt, deine Mitfreiwilligen zu treffen. Bin schon gespannt, welche Aufgaben noch dazu kommen und wann der Deutschunterricht wirklich startet. Liebe Grüße aus Deutschland, zu verteilen im Pfarrhaus und in der Gemeinde! Karoline

      Theresa Pfeiffer

      Danke fuer eurer Feed-Back 🙂 Ich freue mich, dass dir mein Beitrag gefällt und die Grüße werde ich natürlich ausrichten 🙂

    Rupert

    Schön, dass es Dir gut geht und dass Du langsam Deinen Platz in der Gemeinde findest.

    Seyhan und Thomas

    Liebe Theresa,

    gerade haben wir deine Berichte aus Oaxaca und Tepetitlán gelesen. Es freut uns, daß es dir gut gefällt und du offenbar Freude am Aufenthalt hast.

    Wir waren ja auch in Oaxaca – und zwar als du geboren wurdest! Also schon längere Zeit her. Unser bescheidenes Hotel war gleich beim Zócalo um die Ecke, so daß wir jeden Abend über den Zócalo spaziert sind. Von dort aus haben wir die Stadt erkundet, die Märkte, das Museum im Kloster, verschiedene Restaurants. Auch die berühmte Sosse „Mole de Oaxaca“ (https://www.youtube.com/watch?v=xtFlBWt864c) und die Schokoladensuppe haben wir probiert. Auch haben wir gerne Limonenwasser und Guavenwasser getrunken. Mit dem Schnaps haben wr uns zurückgehalten. Die Umgebung haben wir besucht, obwohl ich durch einen Hexenschuß leicht lädiert war. Natürlich waren wir in Mont Albán und in Mitla. Nach etwa einer Woche sind wir mit dem Fernbus nach Ciudad de Mexico zurück gefahren.

    In Tepetitlan waren wir noch nicht. Was du schreibst, klingt spannend. Auch dass du die Probleme der Migration hautnah miterlebst. Gib auf dich acht! Wir denken oft an dich.

    Wir könnten wieder telefonieren, wennn du uns einen Termin mitteilst.

    Alles Gute und herzliche Grüße aus Erlangen!

      Theresa Pfeiffer

      Oh ja, gerne können wir telefonieren 🙂

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